Günter Schmidauers „Trommelsteine“ führen in Klagenfurts „Geheimvergangenheit“
VON MANFRED POSCH
Wer zum Begriff „Trommelsteine“ Google bemüht, stößt auf 78.200 Eintragungen. Günter Schmidauers vom renommierten Verlag Wieser herausgebrachter Roman“Trommelsteine“ hat zwar hinblicklich Google Aufholbedarf, nicht aber die Qualität betreffend: Eine Art Kriminalroman liegt vor, der zu loben ist, dessen Tiefgang deutliche Wahrnehmung über die heimische Literaturrezeptivität hinaus zu wünschen ist.
Doch nicht nur die Tatsache, dass es sich beim Autor um ein seit Langem Wertschätzung genießendes Mitglied der hiesigen Kulturszene handelt, um einen Schreiber, der über eine solide Pranke verfügt, mag dem Roman Interesse zuführen – das nicht in allen heimischen Gesellschaftskreisen gerne vernommenes Thema ist´s, das ein für Kärnten untypisches Raunen erzeugen könnte/sollte. Klarer ausgedrückt: Die konzedierte handwerkliche Qualität widmet sich einem Stoff, der häufig unter Hinweis darauf abgetan wird, dass „es einmal genug“ sein müsse.
Womit es „genug sein“ müsse? Mit den Hinweisen auf die Schrecken der NS-Vergangenheit, die Konzentrationslager, die Verbrechen der SS etc., etc., etc. Wer so spricht (copyright: meist Rechts, aber allenthalben leider auch Links), kennt ihn nicht, den Philosophen Theodor W. Adorno, oder will von dessen „Kulturkritik und Gesellschaft“ nichts wissen, jener Kritik die mit der Feststellung endet: “ … nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch …“
Adornos Edikt zum Scheitern von Kunst und Literatur vor dem Hintergrund unfassbarer, in solchen Dimensionen noch nie verübten Verbrechen ist, wie man weiß, Theorie geblieben; die „Einmal-ist-es-genug“-Apostel sind die Praxis – und in Kärnten ganz besonders. Womit Schmidauers Wurf sozusagen ambivalent, von zeitgeschichtlicher und aktueller gesellschaftlicher Bedeutung ist.
Worum es geht? Eine alte Klagenfurterin verschwindet, ein paar Tage darauf wird das Oberhaupt der „gutbürgerlichen“ Familie ermordet. Im Zuge privater und polizeilicher Recherchen öffnet sich die Verangenenheit, jene Jahre treten in die Gegenwart, da „unwertes Leben“ vernichtet wurde. Über den Massentransporten, über dem von NS-Ärzten verordneten Sterben lag jahrzehntelang der Mantel des Schweigens, doch – so die „Trommelsteine“-Quintessenz -: „Unrecht verjährt nicht“.
Der Autor, der am Burgtheaterwirkte und als Chefdramaturg und Werbeleiter am Stadttheater Klagenfurter die Ära Herbert Wochinz mitgestaltet hat, kennt „sein“ Klagenfurt und dessen See-Umgebung, zeichnet manch ein gültiges, von lyrischen Gespinsten umfächeltes Kolorit. Die Straßen und Plätze, die Gegenden „stimmen“, der Roman vermittelt gleichschwebende Aufmerksamkeit und seinem Heimito von Doderers „Die Wasserfälle von Slunj“ entnommenem Motto („Hier mag man den Geist jener Zeit erkennen. Aussprachen fanden kaum jemals statt. Auch nicht zwischen Vätern und Söhnen“) hat Schmidauer immerhin 330 Zeilen hinzugefügt.
Günter Schmidauer: „Trommelsteine“, Roman,
331 Seiten, Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec, 2009