Memento

 

Habsburg-Hochzeit im Salzkammergut

Bad Ischl war und ist ein bevorzugter Schauplatz der Habsburger. Hier zeigten sie sich gerne her, hier wurden sie gerne gesehen. Zumindest in den Jahren um Neunzehnhundert und dann eben in den Sommermonaten. Manchmal steigen auch jetzt noch  die Nachkommen jener glorreichen Familie zwischen den Parketten des franzisco-josephinischen Tanzbodens herauf und formieren sich zum Schattenreigen der verklärten Erinnerungen.

Es ist aber noch einmal etwas Besonderes, wenn Habsburger 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Bad Ischl heiraten und sorgsam dem Tag der Kriegserklärung aus dem Weg gehen. Magdalena Habsburg-Lothringen, die Ururenkelin von Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth heiratete im Juli den bürgerlichen Universitätsprofessor Sebastian Bergmann. Am Friedhof hinter der Kirche liegt seit 1957 der aus Palästina in sein Österreich zurückgekehrte Leo Perutz. Es war nicht mehr sein Österreich, das er vorfand. Er schrieb: „Das Leben der Juden gleicht dem Regenwurm, der (durch zwei Weltkriege) in drei Teile geschnitten worden ist. Der letzte Teil windet sich ein bisschen, jammert, klagt Jehova an, gräbt sich dann ein und lebt weiter.“ Den Nichtjuden ging und geht es heute besser, in diesem Österreich.

Es wird Kaiserwetter erwartet und es stellt sich auch ein. Wie auch ein Traditionsregiment zu Pferde aus Ungarn und eine muntere, wenn auch schon leicht mit Patina überzogene Verwandtschaft aus allen Winkeln der Erblande. Später soll dann auf slowenisch auch gar nicht so brüchig „Gott beschütze…“ gesungen werden.

Das dezent Andere in Alliance mit verschämter Auffälligkeit werden zum zeremoniellen Schaurahmen. Strohhüte, groß wie Wagenräder, Gehröcke und Zylinder, die noch nie eine Kostümleihanstalt gesehen haben. Kutschen und Mädchen in Tracht, der hohe Klerus in schwarz und weiß. Erinnerte, weitergegebene oder nachempfundene Traditionen haben tiefe Furchen in die Gesichter so mancher Damen gekerbt. Eingegrabene Geschichte, die überlebt hat, Risse im historischen Brokat. Langgezwirbelte Husarenbärte, eine Kamera auf der hohen Stirn des Hofberichterstatters, das verlegene Lächeln einer betagten Baronin, die mit Grazie einen angedeuteten Handkuss entgegennimmt. Braune Altersflecke auf den Händen der Großtante, die es doch noch einrichten konnte und die Feierlichkeiten mit ihrer Anwesenheit adelt. Betonte Zurückhaltung vor dem Gotteshaus. Keine Blasmusik haut der Geschichte auf die Pauke.  Höfliche Zurücknahme der Doppeladler-Zaungäste, die sich in ihre Rollen als Randerscheinungen der Zelebritäten  schmiegen und die feierliche Ergriffenheit einiger Touristen, die der Kaiserin Elisabeth, zumindest über eine Ururenkelin so nahe gekommen sind, wie sonst kaum jemand jetzt und dazumal.

All das trägt zum lauen Schauer eines Zeremoniells bei, über das Nachrangige und Vorrangige die Abwinde einer schrecklich großen Zeit in sich fluten lassen. Als werde ein alter Wäscheschrank geöffnet, dessen verloren geglaubter Schlüssel sich auf einmal wiedergefunden hat. Als fielen aus ihm die Lavendelföhnwolken der Vergangenheit auf die Erschließer herab.

Die siebenstöckige Torte ist natürlich von Zauner. Der oberösterreichische Landeshauptmann hat natürlich zuerst die Gäste am Rande mit Handschlag begrüßt und sich erst dann in die Warteschlange vor dem Kirchenportal eingereiht. Der Bundepräsident gratulierte schon am Vormittag.

Die Ehe ist geschlossen, der Tross zieht mit Pferd und Wagen in Richtung Kaiservilla, wo die Eltern der Braut wohnen. Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen selbst Rossäpfel vor dem Café Ramsauer lange Schatten auf das sonnengewärmte Pflaster, an diesem Sommernachmittag in Bad Ischl.

Günter Schmidauer

Bad Ischl im Sommer