In einem der Wiener Gasometer war vor nicht allzu langer Zeit eine Ausstellung zu sehen, die den Namen „Bodys“ trug. Gezeigt wurden präparierte menschliche Körper, denen die natürliche Körperflüssigkeit entnommen und durch Silikon ersetzt wurde. Die ausgestellten Körper waren zum Teil über ihre Längsachse aufgeschnitten, zum Teil in Scheiben zerteilt, zum Teil standen sie auch als abgehäutetes Ganzes dem Ausstellungsbesucher lidlos Aug in Aug gegenüber.
Es ist früh am Morgen, die ersten Besucher stehen staunend vor den Präparaten. Ein Aufseher (B) dreht routiniert und seines besonderen Auftrags bewusst, die Würde der gezeigten Objekte zu wahren, seine Runden. Ein Herr mittleren Alters (A), den Hut in der Hand, betritt den Ausstellungsraum und betrachtet mit offenem Mund die Schaustücke:
A: Jössas, jössas! Do stengans, die gsturbanan Menscha. Wie der Herr sie geschaffen hat. Nackt und bloß. Nit amol die Haut habns ehna glassn. Hautlose Menschn. Jeden Muskel kann ma segn. Die Augn, die Nosn, ein Meisterstück, wia sie das alles konserviert haben. Menschlich, ja, aber irgendwie unmenschlich.
B: (tritt von hinten an den Besucher heran) Sie müssen sich hier still verhalten. Bewahren Sie die Würde der Ausstellung, die menschliche Würde. Sie stören die andern Menschen bei der Betrachtung dieser Präpara… dieser Präposi…, der Menschen jedenfalls.
A: Ja Marandjosef, haben Sie mich jetzt erschreckt. Da denkt ma sich nichts dabei, betrachtet die herrlichen Leichn und do schleicht sich so a Spinoterer von hinten zuwe. – Es könnt einem leicht der Schlag treffn.
B: Jo, freili, is schon recht. Sogns es glei, wann es so weit is, dann stell ma sie glei dazua, zu die chinesischen Versturbenen.
A: A sein das Chinesa? – Habn wir kane einheimischen Toten, dass ma da ane ausländischen Chinesa aus China importieren miaßn. Die Chinesa san noch unsa Tod. Sie verichtn unsere Wirtschaft mit die Billigimporte und jetzt stelln sie sich a noch ihnere Totn im Sonderangebot in unsere Schaukästen.
B: Beruhigen Sie sich guter Mann, und waren Sie die Würde des Hauses. In China gibt es natürlich um einiges mehr an Toten als bei uns. Größere Auswahl, sozusagen. ( Er lacht.) Beruhigen sie sich. Die Körper sind uns von den betreffenden Personen freiwillig zur Verfügung gestellt wurden.
A: Ja, des glaub i eana. Der Herr Chinesa wird sich gedacht haben: Wenigstens alsa Tota mecht i die Welt segn und zumindest im Wiener Gasometer noch mein Tod ausgestellt werden. Nemmens mei Leich und werns glücklich. – Erzählns do kane Gschichtn. Noch ana von denare Studentenausschreitungen am „Platz des himmlischen Friedens“ haben sie die überbliebenen hinigen Studenten zsammklaubt und ihnen a Silikonspritzerl verpasst.
B: Ich versichere sich ihnen…
A: Versicherung gibt’s kane. So schnell konnst gar net schaun, bist schon a Ausstellungspräparat, in dera heitign Zeit. Das wird die Zukunft der Menschheit sein. – Wer sich seine Lebensmittel nicht mehr leistn kann, kriagt a Silikonspritzerl und wird ausgestellt, da mit die Wiener, bevor sie ins Schweitzerhaus auf a Stelzn und a Budweiser gehen, no an klan Adrelemanin.. an Adrenlamentin … an Adrianomalischock kriagn.
B: Das heißt Adrenalin! Und tuans do net philosophieren. Bewahren Sie die Würde des Ortes.
A: Was haßt die Würde des Ortes? Das is net a Kirchn, das is da Gasometer. Mir san do in Wean.
B: Eben. – Gehns weiter da. Vielleicht wollen Sie sich do drüben die eingelegten Embryos anschauen?
A: San de a aus China?
B: Selbstverständlich alles hier ist aus China. – Außer mir! – Ha, ha, ha! – I bin aus Favoriten!
A: Wer was! No, da schau ich aber – Vielleicht sein se auch ein Präparat. – A galvanisiertes Präparaterl. – So wia die Froschschenkerln. De zuckn a noch, wenn ma se ausreiß, so a paar Stunden vor si hin. – Oder sie sein a Hologramm. So futuristische Projektion, a dreidimensionale Erscheinung. – In Wirklichkeit sein se gar net do, sondern sitzen in Favoriten beim Wirtn auf a Gulasch und lassns ehna da her übatrogn. A gebeamter Chinesa aus Favoritn. Na danke!
B: Herr, werden sie nicht frech, oder ich verweise sie des Ortes.
A: (deutet erschrocken auf eine ausgestellte Figur) Mein Gott, da Hansi-Onkel!
B: Was heißt da Hansi-Onkel? Seins sie net ganz beinand oder was?
A: (kreidebleich) Wann i ehna sog. Das is mei Hansi-Onkel. Der ausgstellte Mensch ohne Haut is mei Hansi- Onkel. – Letztes Jahr is a gsturbn!
B: Is Ihr Onkel vielleicht a Chinesa? Dann miasstens Sie a a Chinesa sein. Habns Schlitzaugn. Schauns amol her da. – Na sie hobn kane Schlitzaugen, sie san ka Chinesa und des da is net ihr Onkel Hansi! Mochens do kann Wirbl. Die Leut´schaun schon her.
A: I bin ka Chinesa und mei Onkel wor zu Lebzeitn a ka Chines. – Ober des do is mei Hansi-Onkel.
B: Redns kann Bledsinn. – Schaun Sie! Der ausgestellte Herr da hat eindeutig Schlitzaugen. Das kann man deutlich erkennen, auch wenn die Kopfhaut abgezogen wurde.
A: Mei Hansi-Onkel hat auch Schlitzaugen ghabt. Das is nähmlich a so kumman. Er hat immer Verstopfung ghabt…
B: …Redns da kann Unsinn!…
A: Wann ich es ihnan sag. Und bei dera Druckerei beim Stuhlgang, hat er immer die Augn so zusammengedruckt. Zum Schluss, bevor er gsturbn is, warens ganz schräg und schmal, von dera Zwickerei und Druckerei. So wia der do obn. I sag es ihna: Das is mei Hansi Onkel.
Beweisens ma dass des net da Hansi-Onkel is. Für den Ausländer do obn, den vermeindlichen Chinesa muaß es do eine Einfuhrgenehmigung geben und eine Aufenthaltsgenehmigung.
B: Für Tote gibt’s ka Aufenthaltsbewilligung. Aber, wenn Sie so weiterreden, verschaff´i Ihna eine für die Anstalt mit die gepolsterten Wänd. Dann könnens dort ihren Stammbaum auseinanderklauben.
A: Wer sagt Ihnen, dass das alles Chinesa sein, do rundumadum im Gasometer? Vielleicht habns da sogor a paar europäische Arbeitslose druntergemischt? Quotenhinige,.. tote, um die europäischen Bilanzen a bissl aufzufriesieren. Do schiabt ma den Chinesarn a paar überzöllige einheimische Tote drunter, Wer was?
B: Nun reicht es aber endgültig. Sie sein ja besoffen!
A: Was hasst bsoffn? – No und? – Die Präparate in die Glasln sein a alle in Spiritus. Und do sagn sie nix dazua?
B: Die verhalten sich aber ruhig! Sie hingegen mit ihrer Chineserphobie – Schluss jetzt! Sie verlassen sofort den Friedhof,… äh den Gasometer, … die Gasometerausstellung, … die Chinesenschau, die vergastebnn Chineser – Da kommt man sich ja vor, wie in einem Panoptikum.
A: (blickt noch einmal auf den Hansi-Onkel und verlässt dann seufzend den Raum)
B: Das wär jo noch schöner. Möcht do die Ruhe der Toten durch sein Bahöll stören. Ordnung muss sein, auch bei die chinesischen Toten. … A Rua is nachm Sterben, die Würde des Ortes, wo kuma den do hin… Respekt und basta!
(Geht weiter und betrachtet einen ausgestellten Frauenkörper)
Andererseits! … Vielleicht hat er ja recht…. Man kann ja wirklich nicht hundertprozentig sagen, woher die Leichen kommen. Die Schlitzaugen sind als solche ja nur mit Augenlid als solche erkennbar. Die sind aber hier gar nit mehr …Vielleicht habn sich wirklich a paar europäische Abnippler druntergschwindelt.
(Er tritt näher an einen ausgestellten und konservierten Frauenkörper heran)
B: … Mein Gott, die Lintschi Tant!
Ende